Welche Kompetenzen werden wir im Jahr 2030 wirklich brauchen – und wie verändert Künstliche Intelligenz das Lernen von morgen? Prof. Dr. Lars Wischhof, Experte für verteilte und vernetzte Systeme, gibt in unserer Reihe „Wissenshappen“ überraschende Einblicke in die Zukunft der beruflichen Weiterbildung. Sein Credo: Nicht Menge, sondern Tiefe macht den Unterschied. Erfahren Sie, warum vernetztes Denken und kritische Auseinandersetzung mit KI jetzt wichtiger sind denn je.

Zukunftskompetenzen: die Zukunft ist vernetzt

Mit Blick auf das Jahr 2030 betont Wischhof zwei Fähigkeiten, die noch stärker als heute gefragt sein werden. Die erste ist „interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung über die eigenen fachlichen Grenzen hinaus“. Die zweite ist „Analyse, Bewertung und iterative Überarbeitung KI-generierter Lösungen“.

Beides ist aus seiner Sicht wesentlich für eine Zukunft, in der technische Systeme eng verknüpft sind und menschliche Expertise sich über die kritische Auseinandersetzung mit KI-gestützen Entwicklungen definiert.

Irrtümer in der Weiterbildung: mehr ist nicht immer besser

In der beruflichen Weiterbildung begegnet Wischhof immer wieder derselbe Trugschluss: „Je mehr spezifische Einzelthemen in einer Weiterbildung untergebracht werden, desto mehr lernen die TeilnehmerInnen.“ Er hält dagegen, dass häufig das Gegenteil der Fall ist. Der bessere Ansatz sei es, sich „auf wesentliche Prinzipien und Themen zu konzentrieren“ und sicherzustellen, dass diese mit „ausreichend Zeit und Tiefgang“ vermittelt werden. Hat ein(e) TeilnehmerIn die grundlegenden Prinzipien verstanden und die grundlegenden Kompetenzen erworben, „so ist sie/er auch gerüstet für zukünftige Herausforderungen und Technologien“. Deshalb sei es sinnvoller, mit ausreichend Zeit weniger Themen zu behandeln, anstatt auf eine möglichst hohe Zahl spezifischer Inhalte zu setzen.

Wissenschaft & Wirtschaft: voneinander lernen

Auf die Frage, was Hochschulen von Unternehmen lernen könnten, antwortet Wischhof, dass sie sich „auf praxisrelevante Forschungsaspekte konzentrieren“ sollten – statt „ein passendes Problem für eine schon vorhandene oder gerne erforschte Lösung zu suchen“. Dabei gelte: „Es muss nicht immer die perfekte Lösung sein, wenn eine einfache Lösung die Herausforderungen schon löst.“

Auch die Unternehmen können sich etwas abschauen: Sie brauchen „Offenheit und Durchhaltevermögen“. Denn „vielversprechende Ansätze und neue Technologien brauchen oft etwas Zeit“ und „nicht immer ist ein funktionsfähiges, kommerziell verwertbares Produkt direkt mit einem ersten Projekt oder innerhalb weniger Monate zu erreichen“.

Curriculum-Tipp: verteilte und vernetzte Systeme

Wenn Wischhof ein Pflichtmodul für jedes Weiterbildungsprogramm festlegen dürfte, würde er sich eindeutig für „Verteilte und vernetzte Systeme“ entscheiden. Ein Großteil der Innovation entstehe heute durch die Vernetzung unterschiedlicher Teilsysteme – sei es im Fahrzeug, wo Funktionen über Steuergeräte, Sensoren und Aktoren verteilt und zunehmend auch mit Backend-Systemen verknüpft seien (zukünftig stärker auch direkt zwischen Fahrzeugen), oder in anderen Bereichen wie Industrie, vernetzter Fertigung, Smart Grid, Smart Home oder mobilen Anwendungen. Deshalb ist für ihn „ein grundlegendes Wissen über verteilte und vernetzte Systeme in fast allen Bereichen unabdingbar“.

Wissenschaftliche Highlights: Joint Communication and Sensing

Besonders spannend findet Wischhof aktuell den Ansatz des „Joint Communication and Sensing (JCS)“. Statt die Umfelderfassung über Sensoren und die Kommunikation über Funkstandards wie 5G, 6G oder WLAN getrennt zu betrachten, „werden nun Sensorik und Kommunikation in einem System kombiniert“. Die Kommunikationssignale „werden gleichzeitig genutzt, um die lokale Umgebung zu erfassen“.

„Über eine Fusion mit weiteren Sensorwerten und lokale Kommunikation lässt sich so z. B. in einem Fahrzeug eine detaillierte Erfassung der lokalen Umgebungssituation erzielen.“

Fazit

Ob Kompetenzen für 2030, Irrtümer in der Weiterbildung oder aktuelle Forschungsentwicklungen – Wischhofs Antworten kreisen um ein gemeinsames Thema: Konzentration auf das Wesentliche. Oder, wie er es selbst formuliert: „Machen wir ruhig weniger – aber das dann richtig.“

 

Ein herzliches Dankeschön an Prof. Dr. Lars Wischhof für das interessante Gespräch und sein Engagement in unseren Qualifizierungen.

 


Hintergrundinformationen

Lars Wischhof ist seit Gründung des Instituts fester Bestandteil unseres Dozierendenteams und bei jedem Kurs – ob mehrmonatiges Intensivprogramm oder Kompaktseminar – mit vollem Engagement dabei. In seinen Lehrveranstaltungen wird nicht nur fundiertes Wissen vermittelt, sondern auch eigenständiges Denken und aktives Mitmachen gefördert. Dank seiner abwechslungsreichen und stets praxisnahen Methodik schafft er es, die Teilnehmenden dort abzuholen, wo sie stehen und von Beginn an für ein Thema zu motivieren. Ein Fels in der Brandung, auf den wir uns jederzeit verlassen können. Und ein absoluter Mehrwert für das ICE und alle KursteilnehmerInnen.

Prof. Dr.-Ing. Lars Wischhof lehrt an der Hochschule München an der Fakultät für Informatik und Mathematik. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Vernetzung mobiler Systeme, Connected Mobility und der angewandten Mobilkommunikation. Er ist (Co-)Autor von mehr als hundert wissenschaftlichen Publikationen und Patenten in diesem Bereich und aktives Mitglied in den Fachorganisationen IEEE, ACM und VDE.

***

Einen weiteren Beitrag aus unserer Reihe „Wissenshappen“ finden Sie hier: Orientierung statt Überflutung – Prof. Dr. Hans von Koch über die Zukunft des Mathematikunterrichts.